«Das Sulzerareal muss grüner werden»

Günter Heuberger leitet die Siska, eine der grössten Immobilienfirmen Winterthurs. Aktuell plant er ein Holzhochhaus beim Bahnhof und investiert in den Umbau der Halle 53 auf dem Sulzerareal. Im Interview erklärt er, warum ihm nicht nur Zahlen wichtig sind und wieso er in Winterthur bei Verkehrsfragen Handlungsbedarf sieht.

Herr Heuberger, kürzlich wurde bekannt, dass Ihre Firma, die Siska, den Umbau der Halle 53 auf dem Sulzerareal finanziert. Eine schöne Nachricht für Winterthur. Die Suche nach einem Investor für dieses Grossprojekt dauerte jedoch zwei Jahre. Warum ging das so lange?
Die Halle 53 ist anspruchsvoll umzubauen, weil sie in einem schlechten Zustand ist. Wir haben schon vor zwei Jahren über eine Investition nachgedacht, aber zusammen mit anderen Winterthurer Geldgebern, ähnlich wie beim Win4-Projekt auf dem Deutweg. Doch damals hiess es, man setze auf einen Einzelinvestor. Da war für uns der Fall erledigt. Vor einem Vierteljahr klingelte dann wieder das Telefon: Der auswärtige Grossinvestor war abgesprungen. Mich hat das nicht erstaunt. Für dieses Projekt braucht es jemanden mit Winterthurer Spirit.

Winterthurer Spirit? Warum?
Auf dem Sulzerareal ist vieles vorgegeben. Man muss auch das Baurecht als Voraussetzung akzeptieren. Es gibt mehrere Faktoren, die einen Zeitplan schnell relativieren oder die Planung verzögern können. So etwas geht nur mit einem langen Atem – und mit Herzblut.

Günter Heuberger findet, dass es für die Halle 53 einen Investor mit Winterthurer Spirit braucht.

Faktoren wie der Denkmalschutz, der ungewisse Zustand des alten Gemäuers, die hohe öffentliche Aufmerksamkeit, weil es sich um ein Schlüsselprojekt für die Entwicklung des Sulzerareals handelt: Das sind alles Risiken für einen Bauherrn...
Es gibt sicher grössere Risiken als bei einem Bau auf der grünen Wiese. Aber wir haben unterdessen Erfahrung mit komplexen Projekten. Und im Unterschied zu Immobilienfonds oder Pensionskassen müssen wir nicht sofort eine Rendite anstreben, wir denken langfristig. Es ist wie im Sport: Wenn ein Umweg nötig wird, muss man demütig sein, daraus lernen und nach vorne schauen. Das wird auch bei der Halle 53 so sein.

Trotz aller Unwägbarkeiten: Wann findet das erste Konzert in der Halle 53 statt?
Hmm, das kann ich wirklich nicht sagen. Geplant ist jetzt als nächster grosser Schritt die Baueingabe für Anfang 2022. Ich hoffe aber für die Zukunft auf schöne Konzerte in der Halle, für ein breites Publikum von Klassik bis Rock. Wie schon bekannt ist, ist ein zweiter Teil mit Büro- und Seminarräumen vorgesehen, da wünsche ich mir, dass die ZHAW einziehen wird. Einen dritten Teil soll das Gastronomieangebot ausmachen.

Gibt es denn schon fest Zusagen von Mieterinnen oder Mietern?
Nein, aber die Gespräche gehen voran.

Wie viel wird die Halle 53 kosten?
Auch da wäre es unseriös, eine Zahl zu nennen.

Die Siska hat bereits die benachbarte Halle 52 finanziert. Ein Neubau, in den vor einem knappen Jahr das Departement Gesundheit der ZHAW eingezogen ist. Gefällt Ihnen das Sulzerareal besonders gut?
Erstens gefällt uns das Entwicklungskonzept der Implenia. Zweitens spüren wir ein hohes Engagement der Stadt. Das sind zwei gute Voraussetzungen: ein Projektentwickler mit Strategie und die öffentliche Hand mit einem klaren Commitment. Es gibt aber auch negative Punkte…

Das Haus Adeline Favre, wie die Halle 52 getauft wurde, als Teil des ZHAW Campus.

Welche denn?
Wenn ich an einem Arbeitstag noch meine Schrittzahl erreichen will, spaziere ich oft durchs Areal. Dabei fällt mir auf, wie stark alter Beton und neuer Asphalt das Quartier dominieren. Grün findet nicht statt. Ich sehe Kies und höchstens ein paar Bäumchen. Das würde ich anders angehen, wenn ich könnte. Das Sulzerareal muss grüner werden, mit richtigen, grossen Bäumen und Wasserflächen. Wir werden unsere Position als Miteigentümer der Halle 52 und Entwickler der Halle 53 nutzen, um das anzustreben.


«Ein Bauherr muss doch daran interessiert sein, auch die Umgebung klimafreundlich zu gestalten.»

Sie wollen also mit Ihren Investitionen auch das Stadtbild prägen?
Ich würde sagen: mitgestalten. Das gilt auch für das Stadtklima, es braucht mehr Grünflächen, mehr Bäume. Stadt und Kanton sind diesbezüglich ja schon aktiv, der Kanton will auch die Planungsgesetze in diese Richtung anpassen...

Das finden Sie gut? Viele Hauseigentümer sehen das doch kritisch...
Ja, das begrüsse ich. Ein Bauherr muss doch daran interessiert sein, auch seine Umgebung klimafreundlich zu gestalten.

 

Wollen sie deshalb das Hochhaus an der Schaffhauserstrasse gleich beim Hauptbahnhof, das 50-Millionen-Projekt «SH zwei4», aus Holz bauen?
Das ist mit ein Grund, ja. Und wenn Sie da nach einem Zeitplan fragen wollen: Auch da gibt es noch keinen. Nächster Meilenstein wird sein, dass wir einen Synthesebericht unserer Planung veröffentlichen. Auch dieses Projekt ist langfristig angelegt. Darum werden wir auch für die Veloerschliessung ein Provisorium erstellen, damit die neue Velostation am Bahnhof besser erreicht werden kann, schon bevor der Bau des Hochhauses beginnt.

Früher war die Siska für funktionale, renditeorientierte Neubauten bekannt, wie beispielsweise die «Banane», in der wir dieses Gespräch führen. Jetzt planen Sie ein Holzhochhaus und einen komplexen Bau in einem Denkmalobjekt. Eine neue Unternehmenspolitik?
Ich war schon früher im Verwaltungsrat der Siska und habe viele Sitzungen hier an diesem Tisch miterlebt. Meine Beobachtung, kurz zusammengefasst: Früher sah sich die Siska als Finanzunternehmen, das auch Immobilien besass. Es war deutlich spürbar: Das oberste Ziel war, dass die Zahlen stimmten – und sie mussten immer steigen. Darauf legten meine Eltern viel Wert und die operative Führung hat das gelebt, mit der Zeit sogar überstrapaziert. Damit die Zahlen weiter stiegen, wurden die privaten Liegenschaftenfirmen der Eltern in die Siska hineinfusioniert. Der Unterhalt der Immobilien wurde vernachlässigt. Als ich die Firma 2014 voll übernommen habe, brauchte es einen Neuanfang. Heute sehen wir uns eindeutig als Immobilienfirma. Unterdessen haben wir auch viele Liegenschaften renoviert, etwas mehr als die Hälfte des Sanierungsprogramms von 300 Millionen Franken ist geschafft.


«Früher sah sich die Siska als Finanzunternehmen, das auch Immobilien besass. Oberstes Ziel war, dass die Zahlen stiegen.»

2014? Ist die Siska nicht bereits seit 2009 in ihrem Besitz?
Das ist so. Damals rief mich mein Vater an und sagte: Du, in zwei Tagen haben wir einen Termin beim Notar. Auf die Nachfrage, worum es denn gehe, erklärte er: Das siehst Du dann, es ist nichts Schlimmes. Und da hat er mir die Firma überschrieben. Operativ übernommen habe ich dann allerdings erst 2014, als es wegen des Verhaltens des Geschäftsführers nicht mehr anders ging.


«Die grössten Player in Winterthur sind nationale Immobilienfirmen. Die Lokalen folgen erst auf den weiteren Rängen.»

Bei einem Spaziergang auf dem Goldenbergweg kann der Siska-Chef gut abschalten.

Im Januar ist Ihr Vater, Firmengründer Robert Heuberger, verstorben. Unser herzliches Beileid. Was hat sich für Sie mit diesem Verlust verändert?
Wir haben jede Woche einmal bei ihm zu Abend gegessen. Mir fehlt jetzt eine wichtige Bezugsperson, ein Ansprechpartner. Um geschäftliche Dinge ging es bei diesen Treffen aber immer weniger.

Ist die Erbteilung mit Ihren beiden Geschwistern denn schon rechtskräftig?
Nein, so rasch geht das nicht.

Ihr Vater hat den «Club of Rome» nach Winterthur geholt. Werden Sie das Engagement für diese berühmte Organisation zur Zukunftsforschung fortsetzen?
Erstaunlicherweise liess mir mein Vater nach der Geschäftsübergabe grosse Freiheiten. Zwei Punkte waren aber immer klar: Erstens Arbeiten und zweitens das Engagement für den Club of Rome. Darum wird unsere Stiftung diese Organisation weiter unterstützen.

Apropos Zukunftsforschung: Als einer der grossen Immobilienplayer der Stadt kennen Sie den Winterthurer Liegenschaften Markt ganz genau. Welche Immobilientrends sehen Sie für den Standort Winterthur?
Da möchte ich zunächst anmerken: Die grössten Player sind auch in Winterthur die nationalen Gesellschaften wie die SwissLife oder die Immobilienfirmen PSP oder Swiss Prime Site. Die Lokalen, wie die Stefanini-Stiftung oder wir von der Siska, folgen erst auf den weiteren Rängen. Aus unserer Sicht: Das Dreieck Zürich-Flughafen-Winterthur ist ein hervorragender Immobilienmarkt mit einer guten Dynamik.

Die Stadt hofft seit Jahren auf mehr Firmen und Arbeitsplätze. Was fehlt, damit Winterthur für Unternehmen attraktiver würde?
Winterthur hat verschiedene Verkehrsprobleme. Da geht es nicht nur um die Themen, über die man immer wieder liest: für oder gegen Autos oder Velos, für oder gegen Parkplätze... Mir ist der öffentliche Verkehr wichtig, darum konzentriert sich die Siska gerne auf Standorte in der Nähe von Bahnhöfen. Die Pendlerinnen und Pendler brauchen einfache Arbeitswege, das ist auch für uns als Arbeitgeber entscheidend. In Winterthur sind oft die grossen Verkehrsachsen verstopft, auf denen dann auch die Busse stecken bleiben. Dafür gibt es schon viele Lösungsvorschläge: Ein Tram wurde schon angedacht, von mir aus könnte es auch eine Hochbahn sein. Winterthur muss da neu denken. Die Lösung der Verkehrsprobleme ist ein Jahrzehnte-Projekt, aber das muss man angehen.


«Ein Tram wurde schon angedacht, von mir aus könnte es auch eine Hochbahn sein.»

Im letzten Jahr standen viele Bürogebäude leer, die Angestellten sassen zu Hause im Homeoffice. Spüren Sie auf dem Immobilienmarkt deshalb eine Veränderung?
Wir spüren, dass grössere Wohnungen stärker gefragt werden. Dass die Nachfrage nach Büroliegenschaften und in den Einkaufszentren zurückging, merken wir an den über 100 Dossiers von Geschäftsmietern, die Sorgen haben. Und wir haben markante Verluste in den Hotels.

Mit Bettina Stefanini gab es auch bei der zweiten grossen Winterthurer Immobilienbesitzerin kürzlich eine Nachfolge. Wie oft treffen Sie sich mit ihr?
Wir kennen uns und stehen im Kontakt. Wir haben auch eine ähnliche Aufgabe: Nach der Gründergeneration müssen wir unsere Organisationen weiterführen und den Fortbestand sichern. Ich kannte auch bereits Bruno Stefanini. Wie er mich als Offizier einmal auf sein Schloss Brestenberg eingeladen hat, um mir dort seine Militaria-Sammlung zu zeigen, inklusive Panzer, das vergesse ich nie.


«Früher riefen manchmal die Stadtpräsidenten bei meinem Vater an und sagten: Du, bei diesem Anlass oder jenem Fest fehlt noch Geld...»

Wie Bruno Stefanini gründete auch Ihr Vater eine Stiftung, die Robert-und-Ruth-Heuberger-Stiftung. Wie sieht da Zukunft aus?
Präsidentin der Stiftung ist meine Frau Petra. Auch da gab es einen Generationenwechsel: Wir engagieren uns langfristig für den Club of Rome und zahlreiche kleinere Organisationen, insbesondere Stiftungen, die sich für Kinder stark machen. Was wir nicht mehr unterstützen, sind einzelne Gelegenheitsanfragen. Früher riefen manchmal die Stadtpräsidenten bei meinem Vater an und sagten: Du, bei diesem Anlass oder jenem Fest fehlt noch Geld. Der Vater fragte: Um wie viel geht es? Die Stadtpräsidenten nannten den Betrag, und mein Vater antwortete: Du musst nicht mehr weiter herumtelefonieren. Diese Zeiten sind vorbei.

 

Sie engagieren sich stark in Winterthur. Ihr Lieblingsschal, mit dem man Sie oft in der Stadt sieht, ist aber einer eines ausländischen Sportklubs. Warum eigentlich?
Auf einer Reise durch Deutschland habe ich mit unserem Sohn zufällig ein Training von Schalke 04 besucht, das hat uns so gut gefallen, dass wir bis heute Fans sind – und es auch nach dem Abstieg aus der 1. Bundesliga bleiben. Das Ruhrgebiet fasziniert mich sowieso, es erinnert mich mit seiner Industriegeschichte übrigens auch an Winterthur.

Zum Schluss noch: Ihr Ausflugstipp in Stadt oder Region, um zwischendurch mal abschalten zu können?
Wie schon erwähnt, achte ich jeden Tag darauf, 11’000 Schritte zurückzulegen. Um das zu erreichen, gehe ich oft am Abend von unserer Wohnung in Oberwinterthur los. Vom Goldenbergweg – den übrigens die Stadt in den 1980-er Jahren selbst gebaut hat, aus eigenen Mitteln ohne Spenden! – hat man einen schönen Ausblick auf das harmonische, von viel Grün geprägte Stadtbild Winterthurs.

Catherine Zimpfer und Jakob Bächtold