«Weibliche Athletinnen bewegen sich nach wie vor in einer von Männern dominierten Sportwelt»

Ewa Haldemann von Swiss Olympic wird im Rahmen vom winspire-Anlass am Abend des 19. Septembers die Keynote zum Projekt «Frau und Spitzensport» halten. Im Interview erzählt sie uns unter anderem, was es braucht, damit der weibliche Spitzensport noch mehr gefördert werden kann.

Mit der Kampagne «fastHER, smartHER, strongHER» will Swiss Olympic die Voraussetzungen für Frauen im Spitzensport verbessern. Welche konkreten Massnahmen und Initiativen werden in diesem Rahmen ergriffen?
Ewa Haldemann: Der Hintergrund der Kampagne ist die Feststellung, dass weibliche Athletinnen sich nach wie vor mehrheitlich in einer von Männern dominierten Sportwelt bewegen. Unser Ziel ist es daher, der Leistungsentwicklung von Frauen besser gerecht zu werden. Zu den konkreten Massnahmen gehören Sensibilisierungs- und Enttabuisierungsinitiativen zu frauenspezifischen Themen wie Zyklus oder Schwangerschaft im Spitzensport. Wir bringen Fachwissen ein, schliessen Wissenslücken und erarbeiten gleichzeitig Handlungsempfehlungen für die Praxis.

Inwiefern können solche Massnahmen die sportliche Leistungsfähigkeit von Athletinnen optimieren? Was braucht es in Zukunft, um diese Themen in der Sportförderung noch stärker zu verankern?
Wichtig ist, dass die Rahmenbedingungen für den weiblichen Spitzensport weiter optimiert werden. Ein Beispiel: Wir wissen, dass eine Schwangerschaft parallel zu einer Spitzensportkarriere stattfinden kann. Dabei ist es absolut zentral, dass die Voraussetzungen, auch im wirtschaftlichen Bereich, geschaffen werden, die eine Rückkehr in den Spitzensport nach einer Schwangerschaft ermöglichen. Zudem müssen Strukturen entwickelt werden, um Wissen in frauenspezifischen Themen zu generieren und dieses in der Praxis anzuwenden. Wir unterstützen auch Verbände und Vereine, damit sie ihre Athletinnen im Spitzensport optimal fördern können. Das sportliche Umfeld der Athletinnen – nach wie vor mehr männliche Trainer – sollte hier Wissen besitzen und offen darüber sprechen.

Ewa Haldemann ist Laufbahnberaterin und Projektleiterin von «Frau und Spitzensport» bei Swiss Olympic.

Welche langfristigen Auswirkungen erwarten Sie sowohl auf die individuelle Leistungsfähigkeit von Athletinnen als auch auf die Wahrnehmung von Frauen im Sport?
Unsere Schweizer Medaillengewinnerinnen bei den Olympischen Spielen zeigen eindrucksvoll, welchen Wirkungsgrad die Massnahmen unseres Projekts bereits haben. Der Spitzensport ist heute deutlich weiblicher und erfolgreicher als früher. Tabuthemen wurden angegangen und Frauen im Spitzensport gestärkt. Athletinnen trainieren beispielsweise nicht mehr gleich wie Männer, sondern abgestimmt auf frauenspezifische Faktoren. Das schafft Mut und ermöglicht Spitzenleistungen. Die Tatsache, dass es mehr Frauenmedaillen bei den letzten beiden Olympischen Spielen gab, zeigt, dass unsere Arbeit Früchte trägt und weiter, wie sie wahrgenommen wird – sowohl von aussen als auch von den Athletinnen selbst.

Worauf können sich Besuchende von winspire besonders freuen?
Jede weibliche Spitzenleistung ist mutig und basiert darauf, dass die weibliche Leistungsentwicklung im Fokus steht. Ich gehe davon aus, dass mehr Männer das winspire besuchen werden. Es ist wichtig, dass auch sie sich diesen Themen bewusst annehmen, denn das ist essenziell für eine zukunftsweisende Spitzensportförderung. Auch die Vereine in Winterthur müssen dies in ihren Strukturen sowie Bestrebungen berücksichtigen. Diese spannende thematische Auseinandersetzung wird bei winspire ermöglicht, insbesondere durch das House-Gespräch.

Interview: Beat Müller, August 2024