«Ich bin immer wieder überrascht, was in unserer Region alles neu gewagt wird»

Dorothee Auwärter ist Verwaltungsratspräsidentin des Tösstaler Familienunternehmen Kuhn Rikon. Am kommenden KMU Forum Mitte November spricht sie auf der Bühne über Management-Herausforderungen. Wir haben sie zum Interview getroffen.

Frau Auwärter, welche waren die grössten Management-Herausforderungen für Kuhn Rikon der letzten fünf Jahren?
Dorothee Auwärter: Da gibt es eine Fülle an Herausforderungen, mit denen das Management konfrontiert war und ist. Lieferketten, die ins Stocken gerieten; Material- und Transportpreise, die explodierten; weltweit geschlossene Läden und Reisebeschränkungen während der Pandemie, zunehmende geopolitische Spannungen; steigende Strompreise und die Unsicherheit, ob überhaupt genügend Strom vorhanden sein wird; der starke Schweizer Franken; sich ständig ändernde Normen und Vorschriften etwa zu Materialien und Verpackungen; der Fachkräftemangel und vieles mehr. In diesem Sturm die richtigen Prioritäten zu setzen und den Fokus nicht zu verlieren, ist herausfordernd. Bei Kuhn Rikon war von Überlast bis Kurzarbeit alles dabei. Die Mitarbeitenden auf dieser Reise gut mitzunehmen und dafür zu sorgen, dass die Organisation nicht überhitzt, ist auch eine wichtige Managementaufgabe.

Dorothee Auwärter ist die erste Verwaltungsratspräsidentin von Kuhn Rikon.

Wie ist das Unternehmen mit diesen Herausforderungen umgegangen?
Natürlich ist ein gutes Krisenmanagement wichtig. Der Verwaltungsrat hat häufiger getagt und das Management wo immer möglich unterstützt. Es galt auch die Finanzen, insbesondere die Liquidität unter Kontrolle zu haben. Und es gilt immer wieder, den Fokus zu schärfen und gewisse Dinge bewusst nicht zu tun. Gegenüber den Mitarbeitenden pflegen wir eine sehr offene Kommunikation. Diese Transparenz und Ehrlichkeit sowie die Nähe von uns als Inhaberfamilie helfen gerade auch in herausfordernden Zeiten.

Wie beurteilen Sie die KMU-Landschaft der Region Winterthur?
Als sehr vielfältig und lebendig. Ich bin immer wieder überrascht, was in unserer Region alles angeboten, produziert, entwickelt und auch stets neu gewagt wird.

Als wie wichtig schätzen Sie Veranstaltungen wie das KMU Forum für den Standort Winterthur ein?
Sehr wichtig. Der Austausch ist wertvoll. Das Gespräch mit anderen, die in ähnlichen Situationen sind, bringt neue Ideen und Blickwinkel. Und manchmal ist bereits die Bestätigung, mit einem Problem nicht allein zu sein, ermutigend. Darüber hinaus wissen wir alle, dass gewisse Herausforderungen in einem Verbund oder einer Partnerschaft einfacher zu bewältigen sind. Auch da kann ein gutes lokales Netzwerk Türen öffnen.

Was macht für Sie die Wirtschaftsregion Winterthur aus?
Wir können auf eine lange und sehr erfolgreiche Industriegeschichte zurückblicken. Darauf lässt sich aufbauen. Das beweist die Vielzahl von grossen, mittleren und kleinen Unternehmen, die in unserer Region tätig sind und einen bunten Strauss an Dienstleistungen und Produkten anbieten. Diese Vielfalt ist schön und hilft der Region, nicht von einem einzigen Unternehmen abhängig zu sein. Ausserdem haben wir mit der ZHAW eine sehr anerkannte und praxisnahe Ausbildungsstätte vor Ort. Das Home of Innovation und die Startup Nights bringen frischen Wind. Und schliesslich ist die Region Winterthur auch einfach ein Ort, wo es sich gut leben lässt und wo ich gerne zuhause bin.

Wo sehen Sie weitere Stärken und wo allfällige Schwächen der Region?
Vieles habe ich bereits erwähnt. Ich bin auch überzeugt, dass die Region Winterthur in Bezug auf Nachhaltigkeit gut positioniert ist. Diverse Unternehmen treiben dieses Thema ernsthaft voran. Neben dem grossen Zürich und der Flughafenregion tun wir uns in meiner Wahrnehmung allerdings etwas schwer, ein eigenes Profil zu entwickeln. Aber vielleicht ist diese Winterthurer Zurückhaltung auch wieder eine Stärke oder zumindest eine Eigenschaft, die uns sympathisch macht.

Interview: Oktober 2023