«Europa hinkt dem asiatischen Markt in Sachen Wasserstofftechnologie hinterher»

Die winterthurer Contreag AG ist Pionierin was den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Reinigungsfahrzeugen angeht. Der stellvertretende Geschäftsleiter, Fritz Lüdi Jr. verrät uns im Interview, wieso das Familienunternehmen auf Wasserstoff als Antriebstechnologie setzt.

Herr Lüdi, wieso setzt die Contreag AG auf Wasserstoff und nicht wie andere Firmen auf E-LKWs?
In erster Linie, weil die Wasserstoff-Technologie uns eine höhere Reichweite sowie ein schnelleres Laden bzw. Tanken erlaubt. Wir sind ein schweizweit tätiges Unternehmen und in unserer Branche, der Container-Reinigung, sind wir sehr viel unterwegs. Unsere Dienstleistung erlaubt es uns nicht, die Fahrzeuge nur über Nacht zu laden und am darauffolgenden Tag ganztägig unsere Touren auszuführen. Auch während unseren Touren müssen wir die Fahrzeuge rasch laden bzw. betanken können. Unter diesen Gesichtspunkten erachten wir den Einsatz von wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellenfahrzeugen als zukunftsweisend.

Welche Herausforderungen hat die Anschaffung eines solchen Fahrzeugs mit sich gebracht?
Im Bereich Brennstoffzellentechnologie muss man auch ehrlich sagen, dass momentan die europäische Technologieinnovation dem asiatischen Markt – allen voran Südkorea – hinterherhinkt. Da muss noch eine Lücke geschlossen werden, um auch international mithalten zu können. Wir und auch unsere Projektpartner mussten erst einmal sehr viel Knowhow entwickeln und in diesem Fahrzeug umsetzen. Das hat sehr viel Zeit und vor allem auch Geld gekostet. Das Fahrzeug ist eine der grössten Investitionen, die wir in unserer Firmengeschichte bisher getätigt haben – was natürlich mit einem unternehmerischen Risiko verbunden ist.

 

Welche Vorteile und Nachteile hat Wasserstoff als Antriebstechnologie?
Die Vorteile sind auch hier wieder ganz klar die bereits genannten Punkte wie eine höhere Reichweite (bis zu 350km – 400km), auf die wir als Dienstleistungsunternehmen mit langen Wegstrecken angewiesen sind. Ebenso sind unsere Fahrzeuge recht schwer beladen. Die hohe Nutzlast muss mit einer gewissen Energie bewegt werden – und zwar mit keiner riesigen Batterie, sondern einer verhältnismässig angemessenen Grösse. Für unsere tägliche Arbeit benötigen wir sehr viel Energie, die Hochdruckpumpen für die Container-Reinigung haben einen hohen Energiebedarf. Auch bei diesen Punkten entfaltet die wasserstoffbetriebene Technologie ihren Vorteil – wir müssen nicht tagsüber mehrere Male einige Stunden das Fahrzeug wieder aufladen. Das wäre weder wirtschaftlich noch arbeitnehmerfreundlich. Auf der Nachteilsseite steht hier sicher das noch nicht vollflächig ausgebaute Tankstellennetz sowie die noch fehlende politische Akzeptanz für die Wasserstofftechnologie im Allgemeinen.

Wie schätzen Sie das Potenzial für LKWs mit Wasserstoffantrieb ein?
Das höchste Potential für LKWs mit Wasserstoffantrieb sehen wir in der Langstreckenlogistik und dem Betrieb von Arbeitsmaschinen, da sie im Verhältnis zur Grösse und Gewicht der Fahrzeuge riesige Batterien benötigen würden, um diese adäquat betreiben zu können. Die Annehmlichkeiten bezüglich der schnellen Betankungszeit sind ebenso ein grosses Potential, obgleich die Infrastruktur noch ausbaufähig ist. Und so ist es letztendlich auch eine Frage vom politischen Willen, die Wasserstofftechnologie zu fördern und diese für Unternehmen zugänglicher zu machen. Dazu gehört zum Beispiel auch ein effizienter Preis an der Wasserstoff-Tankstelle. Dieser ist momentan noch doppelt so hoch wie in Deutschland.

Wie geht es nach der Inbetriebnahme des ersten Fahrzeugs weiter?
Zunächst werden wir unsere Erfahrungen mit der neuen Technologie «on the job» machen müssen. Zudem müssen wir die hohen Investitionskosten länger als bei konventionellen Fahrzeugen abschreiben. Um ebenso Erfahrungen mit anderen Technologien zu machen, speziell für kürzere Strecken und kleinere Einsatzgebiete, haben wir bereits ein rein batterieelektrisches Reinigungsfahrzeug entwickeln lassen und bringen dieses ab 2024 in den Einsatz.

Interview: Linda Stratacò, Oktober 2023