«Die Pandemie bietet eine Chance für die Unternehmen»
Obwohl ein Ende der Pandemie noch nicht in Sicht ist, sehen die Winterthurer Unternehmen dem nächsten Jahr grundsätzlich positiv entgegen – dies ging aus den Ergebnissen der diesjährigen Unternehmensbefragung von House of Winterthur hervor. In diesem Jahr wurde House of Winterthur bei der Befragung von einem Forschungsteam der ZHAW School of Management and Law unterstützt. Projektleiterin Dr. Jennifer Sparr ordnet für uns die Ergebnisse der Befragung ein.
Frau Dr. Sparr, wie kam es zur Zusammenarbeit der ZHAW mit House of Winterthur und was hat Sie daran gereizt?
Jennifer Sparr: Die Anfrage zur Zusammenarbeit mit House of Winterthur im Rahmen der Unternehmensbefragung kam über einen Kollegen aus einem anderen Bereich der ZHAW zu uns. Dies spricht sehr für die kollegiale Zusammenarbeit an unserer Hochschule im Sinne unserer Partner und Kunden. An dem Projekt hat uns die Gelegenheit gereizt, mit wissenschaftlichen Methoden neue Erkenntnisse zur Attraktivität des Standortes Winterthur beizutragen. Wir freuen uns über die wertvolle Zusammenarbeit mit House of Winterthur, welche von der Innosuisse mit einem Innovationsscheck gefördert wurde.
Was sind Kernaussagen, die Sie aus den Ergebnissen der Umfrage treffen konnten?
Jennifer Sparr: Aus dem wiederkehrenden Teil der Unternehmensbefragung lässt sich schliessen, dass – wenig überraschend – die Pandemie immer noch deutlich spürbar ist, die Mehrheit der Unternehmen jedoch positive Entwicklungen im nächsten Jahr erwartet und darauf hinarbeitet.
Jennifer Sparr hat zusammen mit einem Team der ZHAW die Unternehmensbefragung wissenschaftlich begleitet.
Wie stark bewerten Sie den Einfluss der Pandemie auf die Standortzufriedenheit?
Jennifer Sparr: Die Frage ist nicht ganz einfach zu beantworten. In den Ergebnissen der Unternehmensbefragung haben wir gesehen, dass gut drei Viertel der befragten Unternehmen eher bis sehr zufrieden mit den Rahmenbedingungen am Standort Winterthur sind. Dieser Wert ist im Vergleich zu den Befragungen im Winter 2019 und 2020 (jeweils etwas mehr als 90 Prozent Zufriedenheit) gesunken. Die Befragungsdaten lassen keinen Schluss auf die Gründe dafür zu. Pandemiebedingte Einflüsse liegen nahe, aber auch Veränderungen in der Stichprobenzusammensetzung und aktuelle Standortthemen kommen in Frage.
Worin sehen die Winterthurer Unternehmen die grössten Herausforderungen für das nächste Jahr?
Jennifer Sparr: Die drei grössten Herausforderungen, die Unternehmen für das nächste Jahr angegeben haben, waren die Pandemiesituation, der Fachkräftemangel und die Auftragslage. Der Fachkräftemangel wurde häufiger genannt als noch in der letzten Befragung, während die Auftragslage seltener genannt wurde. Dies bestätigt das Gesamtbild, dass Unternehmen nach wie vor mit der Pandemie zu kämpfen haben, aber positiv in die Zukunft schauen.
Die diesjährige Unternehmensbefragung hatte den Themenschwerpunkt «Coopetition». Was bedeutet dieser Ausdruck?
Jennifer Sparr: Der Begriff «Coopetition» setzt sich zusammen aus den beiden Wörtern «Cooperation» und «Competition». Unter Coopetition verstehen wir die Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern.
Sie sind der Frage nachgegangen, ob Massnahmen zur Förderung der Zusammenarbeit zwischen Wettbewerbern dazu führen, den Standort Winterthur krisenresistenter zu machen. Welche Antwort haben Sie auf diese Frage erhalten?
Jennifer Sparr: Die Umfrage hat bestätigt, dass Coopetition ein spannendes Thema für die Standortförderung sein kann. Wir haben auch erfahren, dass diese Form der Zusammenarbeit krisenfest zu sein scheint; es gab wenig erkennbare Einflüsse der Pandemie auf Coopetition. In den ergänzenden Interviews durften wir Einblick in interessante Formen von Coopetition zwischen Winterthurer Organisationen nehmen. Einige Beispiele sind Notfalldienste im medizinischen Bereich, oder Firmen, die sich mit Personal oder Infrastruktur gegenseitig aushelfen, oder auch im Bereich Einkauf und Logistik zusammenarbeiten. Diese Beispiele können als Vorbild und Inspiration für Unternehmen am Standort Winterthur dienen. Ein gutes Drittel der befragten Unternehmen stimmte zu, dass die Zusammenarbeit mit Wettbewerbern zur Attraktivität des Standorts Winterthur beiträgt.
Ein Grossteil der befragten Unternehmen stellt dem Standort Winterthur gute Noten aus.
Können Sie eine Prognose für das nächste Jahr treffen? Wie wird sich die Stimmung unter den Winterthurer Unternehmen weiterentwickeln?
Jennifer Sparr: Der Grossteil der befragten Unternehmen sieht positiv ins nächste Jahr, knapp ein Drittel will wachsen, mehr als 20 Prozent plant neue Investitionen am Standort Winterthur. Dies sind gute Voraussetzungen für die Entwicklung einer positiven Stimmung. Dennoch bleiben die bereits angesprochenen Herausforderungen. Keiner kann heute mit Sicherheit sagen, wie sich die Pandemiesituation entwickeln wird und wie das «neue Normal» aussehen wird, wenn die Pandemie irgendwann hoffentlich überstanden sein wird. Dies bietet die grosse Chance für die Unternehmen, diese «neue Normalität» gemeinsam mit ihren Mitarbeitenden – und auch in der Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen, vielleicht sogar Wettbewerbern – aktiv zu erfinden und zu leben.
Interview: Linda Stratacò, Dezember 2021