«Wir machen Forschung mit Bodenhaftung»
Martin Winkler steht am KMU-Forum am 15. November 2024 auf der Bühne. Er ist Professor an der ZHAW School of Engineering und entwickelt als Wissenschaftler zusammen mit Firmen Innovationen – teils mit ganz viel Bodenhaftung. Am KMU-Forum wird Winkler zusammen mit Vertreter:innen des Strickhofs Wülflingen und der Schweizerischen Technischen Fachschule Winterthur aufzeigen, wie die lokale Wirtschaft vom Bildungsstandort Winterthur profitieren kann.
Martin Winkler, was ist ein konkretes Beispiel für ein innovatives Produkt, das Euer Institut gemeinsam mit einem Unternehmen entwickelt hat?
Martin Winkler: Beispiele könnte ich hier viele nennen. In unserer Gruppe haben wir vom innovativen Skiwachs für Olympia und Weltcup über die Beschichtung von Herzkathetern bis hin zu einer Antirutschbeschichtung auf Papier bereits viele Projekte mit der Industrie durchgeführt und zum Erfolg gebracht. Näher eingehen möchte ich auf eine Antirutschbeschichtung für die Fahrzeugsicherung, die mit einem KMU aus dem Aargau in zwei grösseren Projekten entwickelt und verbessert worden ist. Wir konnten dafür sorgen, dass die Beschichtung in gleichbleibender Qualität produziert werden kann und auch in den tribologischen Eigenschaften, also den Gleitreibungseigenschaften so verbessert wurde, dass sie auch unter widrigsten Umständen im LKW die Ladung sicher am Rutschen hindert. Auch die Recyclingfähigkeit des Produktes wurde untersucht und verbessert. Näheres dazu erzähle ich am KMU-Forum.
Dieses Projekt wurde mit Forschungsgeldern von Innosuisse unterstützt, der Agentur für Innovationsförderung des Bundes. Ist es für ein KMU nicht ein riesiger Administrationsaufwand, ein Projekt bei Innosuisse einzugeben?
Für die Industriepartner hält sich der administrative Aufwand in Grenzen. Der grösste Aufwand entsteht bei der Projekteingabe. Das Projektgesuch wird aber meistens vom Forschungspartner, also uns, geschrieben. Der Industriepartner liefert den Business-Case und zeigt auf, warum ihm dieses neue oder verbesserte Produkt einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringt. In der Regel wird während der Projektlaufzeit in Absprache mit dem Industriepartner die Projektleitung von uns durchgeführt. Am Projektende fällt nochmals etwas Aufwand an, der aber für den Industriepartner auch sehr überschaubar ist, da er mehr oder weniger nur bestätigen muss, dass er seine vertraglichen Leistungen erbracht hat, denn Innosuisse möchte, dass das Projekt von beiden Projektpartnern bearbeitet wird. So kann z.B. das Testen des Produktes oder auch ein Teil der Entwicklung vom Industriepartner übernommen werden. Meist sind das Arbeiten, die bei der Entwicklung eines neuen Produktes sowieso anfallen und deshalb nur eine geringe Mehrbelastung für den Projektpartner darstellen.
Martin Winkler ist Professor an der ZHAW School of Engineering, entwickelt als Wissenschaftler zusammen mit Firmen Innovationen und bringt so die Stärken des Bildungsstandorts Winterthur zur Geltung.
Bei KMU muss manchmal rasch eine Lösung her, ist da die Forschung nicht zu langfristig ausgelegt? Wie viel Zeit braucht es denn, um mit Euch ein Projekt umzusetzen?
Ja, das ist richtig. Ich habe selbst mehrere Jahre in KMU gearbeitet und weiss, wie schnelllebig die KMU-Welt sein kann. Innosuisse Projekte sind in der Tat eher mittelfristig ausgelegt und beinhalten auch ein gewisses unternehmerisches Risiko. Genau deshalb springt Innosuisse hier ein und hilft, indem unsere Forschungsaufwände gezahlt werden und damit das unternehmerische Risiko vermindert wird.
Das Schreiben eines Antrags benötigt eine gewisse Zeit, möchte man auch wirklich Chancen beim Projektgeber haben. Allerdings wird über die Annahme oder Ablehnung schnell (innerhalb von ca. 6 Wochen) entschieden.
Innosuisse Projekte sind meistens auf 1 bis maximal 3 Jahre ausgelegt, kommen also dann in Frage, wenn man sich in eine bestimmte Richtung weiterentwickeln oder in neue Märkte expandieren möchte und sich die nötige Technologie dazu aneignen muss. Oft ist auch die nötige Forschungsinfrastruktur nicht vorhanden, hier können wir mit unserer hochmodernen Infrastruktur aushelfen.
Geht es eher um kurzfristige Entwicklungen oder auch einfach um Schadensanalysen besteht auch immer die Möglichkeit uns als verlängerte Werkbank zu nutzen und unsere Dienstleistungen gegen Bezahlung in Anspruch zu nehmen.
Wie deine Beispiele zeigen, können an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Forschung spannende und praktische Innovationen entstehen. Was braucht es, damit dieses Potenzial noch besser ausgeschöpft werden kann?
Als erstes braucht es innovative Unternehmer mit pfiffigen Ideen. Hier sehe ich ein grosses Potential, gerade in der Schweiz und speziell im Grossraum Zürich. Dieses Potential sollte genutzt und dieser Schatz gehoben werden. Dann braucht es ein bisschen Mut und keine Berührungsängste. Viele von uns Fachhochschuldozenten haben selbst längere Zeit in der Industrie gearbeitet und entgegen der landläufigen Meinung besteht unsere Arbeit nicht ausschliesslich im Unterrichten, sondern gerade auch in der Forschung und Entwicklung. Normalerweise schliesst sich nach einem Erstkontakt eine gemeinsame Brainstorming-Runde an, in der man die Möglichkeiten einer Kooperation erörtert. Hier können erste Ideen, auch unkonventionelle, diskutiert und bewertet werden. Bis dahin ist alles unverbindlich. Selbstverständlich bleiben Firmengeheimnisse unter uns, wer ganz sicher gehen will, schliesst vorher eine Geheimhaltungserklärung ab.
Was braucht es noch? Mehr von solchen Veranstaltungen wie das KMU-Forum, damit Berührungsängste abgebaut werden können. Auch die Förderung von Kleinprojekten und Machbarkeitsstudien durch z.B. den Kanton wäre sehr hilfreich, aber das ist ein anderes Thema.
An der ZHAW gibt es verschiedene Institute, die in praktischen Anwendungsbereichen Lösungen entwickeln, an der School of Engineering, aber auch in anderen Departementen. Wo kann sich ein KMU mit einer Idee für eine Kooperation melden, damit es an die richtige Adresse gelangt?
Das ist in der Tat eine gute Frage, ist die ZHAW doch eine grosse Hochschule mit breit aufgestellter Organisationsstruktur. Sicher hilft es, sich einmal über die unterschiedlichen Departemente und Institute über die Homepage zu informieren. In der Regel weist jedes Institut seine Expertise in der einen oder anderen Form auf der Homepage aus.
Dann gibt es aber auch noch entsprechende Anlaufstellen, die Anfragen aus der Industrie an die Institute weiterleiten. Für die ZHAW ist das Martin Jäkel, bei uns an der School of Engineering ist das Andreas Binkert.
Wird eine Anfrage einer Arbeitsgruppe vermittelt, die nicht die entsprechenden Kompetenzen besitzt, leitet diese die Anfrage normalerweise an andere Gruppen weiter, die vielleicht besser helfen können.
Interview: Jakob Bächtold, Oktober 2024